In den letzten Wochen bin ich im Zusammenhang mit dem HSP-III Projekt E-Learning in Studienbereichen – eLiS an der UP wieder verstärkt mit Lehrenden in den ersten Kontaktaufnahmen. Das sind immer sehr aufschlussreiche Termine für mich – die längste Zeit bin ich doch mit E-Learning-Aktiven, -ExpertInnen und -Professionellen im Gespräch. Folgende Episode hat mich stark beschäftigt und daher möchte ich diese hier zum Besten geben:
Dem Dozenten, mit dem ich mich zur Beratung getroffen habe, geht es in den Lehrveranstaltungen vor allem um Schreibkompetenzen. Eine seiner Methoden dafür ist, die TeilnehmerInnen im Laufe des Semesters kurze Texte schreiben zu lassen. Das geschieht in Schulheften, die der Dozent einsammelt und korrigiert. Auf seinem Schreibtisch liegt dieser Stapel Hefte und die Korrekturen finden klassisch mit rotem „Korrekturstift“ direkt in den Heften statt. Also ich habe mich erst mal genau so gefühlt, wie das klingt – nämlich frappierend an Schulunterricht erinnernd. Und hierbei auch nicht an die innovativen Unterrichtsformen die z.B. ich durchaus erlebt habe (Hessen, 80er). Dazu habe ich noch erfahren, dass diese, mindestens ambivalente, Schulunterrichts-Assoziation 1. dem Lehrenden auch klar war und 2. auch die Studierenden zuweilen befremdet, wie er berichtete. Der Dozent hatte jedoch auch zwei nachvollziehbare und mir unmittelbar einleuchtende Begründungen.
Zum Einen findet die Leistungserfassung zur Lehrveranstaltung in Form einer schriftlichen Klausur statt. Der Dozent möchte die Studierenden auf diese Arbeit vorbereiten. Zum anderen fällt die Korrektur und Annotation von Texten mit „Papier und Stift“ dem Dozenten, wie vermutlich sehr vielen Menschen, leichter als unter Anwendung von Textverarbeitung und Annotationswerkzeugen. Erst recht natürlich, wenn dieser Text schon in Papierform vorliegt.
Damit stellten sich mir in etwa folgende Fragen: Gibt es hier einen Bedarf für den Einsatz digitaler Medien? Ist vielleicht ein Szenario vorstellbar, in dem manuelle von digitaler Schriftlichkeit abgelöst wird und die ungute Attribution „Schulunterricht“ ablösen kann? Was ist hier eigentlich los?
Festgehalten werden kann wohl:
- Das Setting ist auf die Form der Leistungserfassung (schriftliche Klausur) ausgerichtet und davon überformt. Eine aus den spezifischen Lehrzielen abgeleitete Begründung für die manualle Schriftlichkeit scheint es nicht zu geben. Der Handlungsspielraum scheint durch die Form der Leistungserfassung schon final eingeschränkt.
- Es ist nicht bekannt, ob das Schreiben in den Heften den Studierenden bei der Bewältigung der Klausur hilft. Das ist wohl die handlungsleitende Vermutung des Dozenten aber ich habe das nicht weiter nachgefragt ob ihm bekannt ist, was die Studierenden dazu berichten. Das wäre also mindestens eine Nachfrage wert.
- Das Phänomen, dass die Lehrveranstaltung vom gewünschten, zertifizierungsrelevanem Ergebniss her gedacht und geplant wird (z.B. von G. Reinmann ausgesprochen, ich weiß jedoch nicht mehr genau wann oder wo….) ist nicht nur auf Seiten der Studierenden vertreten, sondern auch bei Lehrenden.
Was kann also aus der Sicht eines Beratenden in Sachen E-Learning hier entwickelt werden? In etwa vielleicht Folgendes: Es wäre nachzuschauen, ob die (hand)schriftliche Klausur eigentlich ein unabdingbares Muss ist. Es könnte überlegt werden, ob die Lust am Schreiben mit Hilfe digitaler Medien gehoben werden kann, z.B. durch das Veröffentlichen qualitätsgeprüfter (=korrigierter) Beiträge auf einer Projektwebseite. Schließlich müsste die Rückmeldung der Studierenden gesucht und organisiert werden. Aus einem „Standardtermin“ haben sich zumindest für mich eine Reihe von spannenden Fragen und Perspektiven ergeben!