„E-Learning“ ist ja bekanntermaßen kein besonders gut definierter Begriff. Wenn also eine Pressemitteilung mit der „Entzauberung“ desselben um Aufmerksamkeit wirbt, liegt die Frage nahe, um was es da eigentlich geht. In erster Linie geht es um eine Pressemeldung zur Ankündigung der Veröffentlichung einer Promotion von der Uni Rostock, die via idw-Newsfeed Verbreitung gefunden hat. Der Inhalt ist entsprechend pressemitteilungsmäßig knapp und komprimiert und besagt ungefähr folgendes: Frau Dr. des. Wigger hat eine Feldstudie zur „Wirksamkeit von Blended Learning in der Hochschule“ durchgeführt, was für sich genommen ein relevantes Vorhaben darstellt, auf dessen Ergebnisse man gespannt sein darf – wenn die Studie dann veröffentlicht ist, was für Ende des Jahres geplant ist. So lange wollte die Abteilung für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Uni Rostock aber nicht warten:

„Ihr [Frau Wiggers] ernüchterndes Fazit: ‚E-Learning-Studierende würden lieber Präsenzveranstaltungen besuchen und konventionell Studierende sind fachlich besser.‘ Die befragten Studentinnen und Studenten machen dafür das ungewohnte, vollständig eigenständige Arbeiten und den damit verbundenen Zeitaufwand verantwortlich. Sie schätzen die untersuchten Fächer als zu schwierig für das selbstständige Lernen ein. Insbesondere Studienanfänger fühlten sich durch das E-Learning überfordert.“

Ergebnis der Studie sei also, dass „E-Learning-Studierende“ überfordert und E-Learning daher ungeliebt sei. Damit wird jedoch natürlich eine ganz bestimmte Spielart des E-Learning beschrieben, bzw. nur ein ganz bestimmtes Setting, nämlich das mehr oder weniger vollständig online und asynchron stattfindende E-Learning, beispielsweise eines xMOOCs. Verwirrenderweise geht es laut Titel der Arbeit aber um „Blended Learning“ – also definitionsgemäß ein „gemischtes“ Setting, dass eben genau nicht nur auf Selbstorganisation und Selbststudium beruht, sondern mit anderen Formaten der Lehre durchsetzt ist. Einmal auf diesen impliziten Begriff des E-Learning reduziert machen auch die folgenden Sätze Sinn:

„Zwei Schlussfolgerungen liegen nahe:

  • Die Schule bereitet nicht hinreichend auf das eigenständige Arbeiten vor. Deshalb sollten die Hochschulen ihre Studierenden unterstützen und zumindest anfänglich gezielte Angebote zum Zeitmanagement und zu Lerntechniken machen.
  • E-Learning darf an Hochschulen nicht weiter nach dem Gießkannenprinzip gefördert werden. Es sollte eine Beschränkung auf Fächergruppen, für die E-Learning pädagogisch geeignet ist, und auf höhere Fachsemester erfolgen.“

Da regt sich Widerspruch bei mir, denn

  • erstens lösen „Zeitmanagement und Lerntechniken“ in der Regel nicht das Problem der Studierenden mit der Selbstorganisation, da wären auch andere Ansätze in der Lehre und Lehrorganisation selber notwendig (vgl.  die Zeitlast-Studie von Schulmeiser et al.)
  • zweitens würde eine „Beschränkung“ auf Fächergruppen oder Semesterstufen das Problem auch nicht angehen sondern einfach Teile der Studierenden von der geforderten Selbstorganisation „entlasten“ – die Möglichkeit E-Learning angemessen zu gestalten, wird ausgeblendet.

Das Problem ist, dass diese Pressemitteilung genau das unterstützt, was sie kritisiert: Sie prolongiert einen einseitigen, engen, den Bedarfen von Studierenden nicht entsprechenden Begriff von „E-Learning“ und stellt dann fest, dass dieser nicht zum Nutzen des Studiums ist. Wesentlich differenzierter klingt es, wenn die Autorin selbst zu Wort kommt:

„Meine Untersuchung versteht sich als Problemindikator. Die aufgezeigten Schwierigkeiten müssen nicht zwingend in jedem als E-Learning angebotenen Studiengangsmodul auftreten, da die Disziplinen sehr unterschiedlich sind“, macht Christina Wigger deutlich. Eines aber steht fest: „E-Learning kann die konventionelle Lehre nicht ersetzen, nur fachspezifisch in ausgewählten Modulen ergänzen und vertiefen.“

Das kann man – vielleicht mit Abstrichen – unterschreiben, neu ist es aber nicht und Zauberei auch nicht.

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