Unter dem Titel „Spread the Word – Von der Universität zum Bildungsstream?“ hatte der Digitale Salon des HIIG in Berlin am vergangenen Mittwoch geladen. Die Veranstaltung bot einen anschaulichen Querschnitt der bundesdeutschen Befindlichkeiten gegenüber MOOCs, was insbesondere an der für diesen Zweck äußerst glücklichen Zusammenstellung der Podiumsgäste gelegene haben dürfte. Die Gäste auf dem Podium waren
- Constanze Langer (FH Potsdam, Gewinnerin des MOOC-Wettbewerbs von Stifterverband und iversity)
- Ralf Lankau (Hochschule Offenburg, ein leidenschaftlicher Kritiker digitaler Bildungsvisionen als „entpersönlichtes und entsozialisiertes Lernen an der Maschine, das man in seiner digitalen Totalität entmenschlicht nennen muss.“)
- Jan-Hendrik Olbertz (Erziehungswissenschaftler, seit 2010 Präsident der Humboldt-Universität vordem Kultusminister in Sachsen-Anhalt und laut Christian Füller in der TAZ ein salopper Konservativer)
- Marcus Riecke (Geschäftsführer und zusammen mit Hannes Klöpper Frontmann von iversity)
Den Auftakt dürfte Marcus machen: „Alles wird anders“ war der Kernsatz, den er aus seinen Erfahrungen in der US-Internetökonomie ableitete. Das Internet verändere ganze Gesellschaftsbereiche massiv und es spreche kein Grund dagegen, dass dies im Bildungsbereich anders sei. Das macht in meinen Ohren erst mal Sinn und diese Argumentationslinie ist mir auch von z.B. Thomas Friedmann und John Naughton hinlänglich bekannt.
Aus der Perspektive von Constanze klingt dieser massive Wandel ebenfall bekannt: Ausgehend von der Initiative einer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin, die sich Gedanken über ihre
Weiterbeschäftigung machen musste, wurde die Idee zur Beiteiligung am MOOC-Wettbewerb geboren. Das dieser MOOC zum Start mit beeindruckenden 50.000 Teilnehmenden aufwarten kann, schien Constanze nicht aus der Ruhe zu bringen. So unprätentiös kann ein massiver Wandel also auch daherkommen, dachte ich…
Ralf und Jan-Hendrik nahmen, mit hoher intrinsischer Motivation möchte man sagen, die Position der Anti-MOOC-Gemeinde ein. Gemeinsamer Kernpunkt: Lernen sei im Online-Medium nicht so wie in der Präsenzsituation möglich, entsozialisiert und ohne Zwischenmenschlichkeit oder Vielfalt würden Online-Lernende billig abgespeist und Bildung werde der Ökonomisierung und dem Effizienzdenken geopfert.
Seltsam erschien diese Argumentation, weil beide Diskutanten meines Erachtens nach die studentische Wirklichkeit ein gutes Stück beiseite schieben und auch angesichts übervoller Veranstaltungen und der inhomogenen Qualität von Vorlesungen auf die einzigartige Unverzichtbarkeit der „Präsenzsituation Lehrveranstaltung“ (die gar nicht zur Debatte stand) bestehen.
Der eigentliche Dissenz in dieser Diskussion schälte sich nach meiner Wahrnehmung erst nach und nach heraus. Es wurde einfach über unterschiedliche Dinge gesprochen. Marcus und Constanze sprachen über die Herausbildung einer neuen Form eines Bildungsformats – nach meiner Wahrnehmung weder dogmatisch noch euphemistisch – Ralf und Jan-Hendrik machten sich Sorgen um eine unter Druck stehende Auffassung von Lernen und Bildung. Diese Befürchtung (und die Hoffnungslosigkeit dieser Position) äußerte sich exemplarisch in dem Stoßseufzer von Jan-Hendrik Olbertz, über den Erfolg von MOOC dürfe man nicht zu laut sprechen, da dies die BildungspolitikerInnen zu weiteren Sparphantasien anregen könnte.
Nachzuhören ist die Veranstaltung auf DRadio-Wissen.