Gestern fand unser Workshop auf dem UFFestival statt. Entstanden aus einer Idee, die schon lange in der Luft gelegen hatte, ist es uns gelungen, Hochschulbildungsexpert*innen aus sechs nicht-europäischen Ländern zusammenzubringen. In den knapp zwei Stunden präsentierten sie ihre Perspektiven und Erfahrungen und tauschten sich mit den Teilnehmern aus.

Das verbindende Element der Präsentationen war, wie Qualität und Zugang zur Hochschulbildung verbessert werden kann. Die Ansätze reichen von konzeptioneller Weiterentwicklung didaktischer Grundlagen, über die Reflexion des Qualitätsbegriffs vor dem Hintergrund von Rassismus und Ungleichheit bis zur Entwicklung hybrider Lehre, um den Zugang zur Hochschule in Zeiten von Naturkatastrophen aufrechtzuerhalten.

Sich mit engagierten Menschen aus dem Hochschulbereich über Kontinente hinweg auszutauschen, ist für mich oft bewusstseinserweiternd im Wortsinn. Mir gehen dabei immer die Argumente aus dem Büchlein „Verstehen, Kritik, Anerkennung“ von Jürgen Straub (1999)1 im Kopf herum, in dem er darstellt, dass es Verstehen des Fremden nicht ohne kritische Befragung des Eigenen geben kann.

„Wer sich Fremdes aneignet, ohne genau hinzusehen, worum es sich dabei [beim Fremdverstehen J.H.] handelt, wird am Ende nur Eigenes in den Händen halten – also nichts Neues, nicht einmal neue Einsichten und Erkenntnisse, dazugewonnen haben.“

Straub, 1999, S. 14

Ich weiß nicht, ob ich das schon als „Einsichten und Erkenntnisse“ bezeichnen darf, aber ein paar Dinge sind bei mir hängen geblieben:

  • Es gibt Unterschiede zwischen den Ländern und im Zeitverlauf in den Ländern, wie stark Top-down- oder Bottom-up-Ansätze in der Hochschulentwicklung vertreten sind. Mein Eindruck wäre bspw., dass wir in Deutschland eine recht starke Bottom-up-Kultur pflegen. Entscheidende Veränderungen (zum Guten wie zum Schlechten) gehen aber anscheinend mit Top-down-Initiativen einher.
  • Die Rolle und der Status von Professor*innen sind unterschiedlich definiert und im Fluss. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit Expert*innen aus der Praxis in die akademische Lehre eingebunden werden. Ein wachsender „Mismatch“ von hochschulischer Ausbildung und geforderten Kompetenzen der Arbeitswelt war ein internationales Phänomen. Eine wissenschaftliche Kultur, die Abgrenzung pflegt, ist ein Nachteil, Interdisziplinarität wird nicht sehr hoch geschätzt.
  • Es gibt Probleme, die (auf den ersten Blick!) ähnlich klingen: Kompetenzentwicklung, Hochschule in einer KI-Welt, Veränderung von Lehrstilen, Zugang und Ausgrenzung fallen mir dazu ein. Es gibt aber auch Lösungen und Lösungsansätze, diese sind jedoch ungleichmäßig verteilt. Allerdings gelten auch Dinge, die bei den einen als Lösung gehandelt werden, den anderen als Problem.

Der Workshop hatte „(un)common grounds“ zum Titel. Hochschulkulturen unterscheiden sich vielleicht nicht so stark in den Herausforderungen auf der Ebene des Dialogs, auf dem common ground. Sie unterscheiden sich aber mehr darin, mit welcher Dringlichkeit und Bedeutung solche Probleme in den einzelnen Regionen begegnet werden.

  1. Straub, J. (1999). Verstehen, Kritik, Anerkennung: Das Eigene und das Fremde in der Erkenntnisbildung interpretativer Wissenschaften. Wallstein. []

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