Ein Streitgespräch zwischen Guido Brombach und Jöran Muuß-Merholz

 

Bild von Henning aka Plastikstuhl unter CC BY 2.0.

Im #PB21-Blog ist ein kritisch-konstruktiver Dialog dokumentiert, der eine Art Bilanz und eine Perspektive aus 10 Jahren emanzipativer Mediendiaktik darstellt. Es beginnt mit der selbstgesetzten Aufgabe die sich mit der Einführung der digitalen Medien ergeben, denn „Es geht um ’neues Lernen mit Medien’ und nicht um ’Lernen mit neuen Medien’“. Dahinter liegt die These, dass es das „Wesen des Digitalen“ sei „sich weniger für frontale Lerneinheiten [zu] eignen, sondern ihre Vorteile dann entfalten, wenn sie für lernerzentrierte Formen genutzt werden.“ An diese Einleitung anschließend, werden zunächst mal eine Reihe von optimistischen Szenarien geknüpft in denen Dinge wie „individuellen Wissensarchive“, „Maker-Spaces“ und insgesamt die Lernenden-Autonomie hochgehalten werden. Damit ist dann aber auch der optimistische Teil des Gesprächs beendet.

Die folgenden viel stärker kritischen Einschätzungen können aus meiner Sicht uneingeschränkt aus der Erfahrungwelt der Politischen Bildung in weitere Kontexte übernommen werden, als da wären:

Überforderung der Lernenden:

„Es war schlicht eine Überforderung, weil wir drei Dinge auf einmal verlangten, die schon jeweils für sich eine Herausforderung sind:  1. […] ein neues Thema erschließen […] 2. […] eine für die meisten vollkommen neue Art des (sebständigen, kooperativen, projekt-orientierten) Lernens praktizieren; 3. […] eine […] unbekannte technische Umgebungen nutzen, nebenbei noch die Hyperlink-Struktur verstehen und die Wiki-Syntax einsetzen.“

Nicht-gewünschte Partizipation:

GB: […] Aber eigentlich finde ich die Grundidee toll, dass Lernende und Lehrende eine Lerngemeinschaft bilden. JMM: Und was ist, wenn die Teilnehmenden das gar nicht wollen?“

Technik-Euphorie:

„Ich habe schon so viele Geräte und so viele Programme durchprobiert. Und konnte noch nicht einmal die einfachsten Dinge richtig gut umsetzen.“

Uneingelöste Versprechen der Technik:

„Eigentlich ist die Bedienung der Geräte ganz einfach – aber in der Praxis suche ich manchmal stundenlang nach einer Funktion.“

Die beiden Diskutanten sehen sich zum Ende des Gesprächs mit zwei verschiedenen Perspektiven ausgestattet: Auf der einen Seite steht eine Sichtweise die den notwendigen langen Atem für die vielen kleinen Schritte einfordert und auf eine subversive Kraft der digitalen Medien setzt (Brombach). Auf der anderen Seite steht die pessimistische Einschätzung, dass

„in der Gesellschaft insgesamt und in den Bildungsinstitutionen besonders wenig Lust zum Neues Ausprobieren und zum Aufbruch in die Wissensgesellschaft [zu sehen ist]. Stattdessen dominiert die Sehnsucht nach Kontrolle und Ordnung.“

Die abschließende genutzte Metapher, die digital-vernetzten Medien könnten ein „Trojanisches Pferd“ für die Veränderung von Bildunginstitutionen sein, wurde übrigens im exakt gleichem Argumentationsmuster auf der Campus Innovation 2012 gleich von mehreren RednerInnen im Zusammenhang mit MOOCs bemüht. Vermutlich ist es kein Zufall, dass die Phantasie, die uneinnehmbare Institution einfach auszutricksen und dann einzunehmen gerade Konjunktur hat. Vielleicht liegt es ja daran, dass die Diskussion um die Potentiale und Realitäten des Web 2.0 in der Bildung in’s zehnte Jahr geht…

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