Die Länder scheinen sich beim Digitalpakt durchzusetzen – der Digitalisierung der Bildung wird es aber wahrscheinlich nichts nutzen.

Die Meldungen der letzten Tage in Sachen Digitalpakt klingen mal optimistisch „…zuversichtlich, dass das Geld schnell an die Schulen kommt…“, mal weniger optimistisch „Lösungen erkennbar“ aber auch nach anhaltenden machtpolitischen Poker „Vereinbart ist noch gar nichts“. Der dahinter stehende Vorgang ist, dass aus der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschuss zum Digitalpakt ein Papier lanciert wurde, das laut Süddeutscher einen Arbeitsstand darstellt. Demnach sieht der Kompromiss ungefähr so aus:

  • Der Zwang zu einer 50% Kofinanzierung der Länder für zukünftige Gelder aus dem Bund scheint erst mal vom Tisch. Das war allerdings für die Gelder aus dem Digitalpakt auch gar nicht geplant, dort sollten die Länder 10% zuschiessen. Allerdings hatte der Bund versucht, diese Regelung anlässlich des Digitalpakts mit durchzudrücken.
  • Es wird wohl keine direkten Zuschüsse des Bundes in die mit den Investionen „verbundenen unmittelbaren Kosten der Länder und Gemeinden“ geben. Hier waren ja die Länder richtig sauer geworden, geht es doch dabei auch um Personal, also zum Beispiel Lehrer*innen. Das müssten die Länder aber weiter finanzieren, wenn die Förderung wegfällt. Das Kompromisspapier soll jetzt vorsehen, dass der Bund „besondere“ Ausgaben finanzieren kann. Warum „besondere“ Ausgaben, z.B. für Systemadministrator*innen aber keine langfristige Ausgabe sein soll, erschließt sich nicht.
  • Im Moment scheint noch einer der Knackpunkte die Qualitätsicherung und Kontrolle der Länder durch den Bund zu sein. Und hier – wenig Thema in der öffentlichen Berichterstattung – wollen die Länder den Erfolgszwang des Bundes in Sachen Digitalpakt nutzen, um die existierenden Kontrollmechanismen des Bundes außer Kraft zu setzen.

Zusammenfassend könnte man es so sehen: Die Eigenbeteiligung der Länder wird Gegenstand von Einzelverhandlungen, sie bekommen Geld für zustätzliches Personal ohne selbst Verpflichtungen einzugehen und die Verwendung der Gelder kann der Bund weder steuern noch kontrollieren?

Ich bin pessimistisch, dass damit der Digitalpakt in „trockenen Tüchern“ ist. Alles deutet vielmehr darauf hin, dass nach einer Einigung das Chaos erst richtig beginnt. Und zwar gerade weil die Länder sich so stark machen konnten.

Der Förderalismus hat der Bildungspolitik (und der Digitalisierung) bisher nicht genutzt

In Sachen Bildungspolitik stehen die Länder nicht eben gut da: Die Inklusion als Reformprojekt hat mit selbstverschuldetem Akzeptanzverlust zu kämpfen, ein massiver Lehrermangel entsteht scheinbar über Nacht und überfordert plötzlich alle Akteure auf einmal und wer den Digitalisierungsbedarf der Schule anmahnt, bekommt von glaubwürdigen Betroffenen erklärt, dass eine Bildungsverwaltung die jahrzehntelang zusieht, wie Gebäude, Ausstattung und Infrastrukturen auf den Hund kommen, ihre Glaubwürdigkeit für die „Gestaltung von Zukunft“ verspielt hat. Denn wenn es um die Frage geht, wo Geld gespart werden soll sind sich Bund und Länder in der Regel wieder einig: Gesundheit, Bildung und Infrastruktur stehen ganz oben auf der Spar-Liste. So ensteht der Eindruck, die Verteidigung des Förderalismus dient nicht der Sache, sondern es geht darum, die Eigenständigkeit um der Eigenständigkeit willen zu erhalten. Es hätte in den letzten Jahren viele Handlungsoptionen für Bildungsministerien und Kommunen gegeben, die „drohende“ Digitalisierung vernünftig zu begegnen – und zwar mit wenig Geld. Wenn jetzt also bald Anträge gestellt, Maßnahmenpläne entworfen und Projekte angeschoben werden müssen, wird sich zeigen, dass kaum jemand darauf vorbereitet ist, die erklecklichen Ressourcen sinnvoll und nachhaltig zu verwenden.

Mit dem bisherigen Organisationsmodellen der Bildungsverwaltung ist Digitalisierung nicht zu machen

Das die Länder in Sachen Digitalisierung der Bildung in den letzten Jahren wenig aktiv waren wird sich rächen, wenn das Geld jetzt kommt. Eines der Grundprobleme ist meiner Meinung nach, dass „Digitalisierung der Bildung“ nicht nur ein Bündel neuer Kompetenzen und Expertise erfordert, die in den letzten Jahren nicht systematisch aufgebaut wurden, sondern dass die ganze Struktur der Bildungs- und Schulverwaltung, von der Lehrerausbildung bis zum Gebäudemanagement in weitgehend analogen Strukturen arbeitet. Damit meine ich nicht die professionelle Verwendung von digitalen Medien und Werkzeugen, sondern vor allem die behördliche Steuerungs- und Umsetzungmodelle, die noch weitgehend auf preussischen Vorbildern beruhen. Verwaltung und Öffentlicher Dienst beruhen auf Modellen, die im Grunde eine Fortsetzung militärischer Organisation für die staatliche Verwaltung darstellt. Befehl und Gehorsam, Plan und Ausführung, Aufteilung in kleine Funktionseinheiten sind hier die Leitbilder. Damit ist Digitalisierung nicht zu machen, damit können keine komplexen, dynamischen Prozesse bewältigt werden. Wenn man einen Blick auf die Präsentationen wirft, die auf der Schulträgertagung 2018 in Schleswig-Holstein gezeigt wurden, bekommt man eine Ahnung davon, was ich meine.

Zehn Vorschläge für sinnvolle Maßnahmen zur Digitalisierung der Bildung in den Schulen

Sinnvolle Maßnahmen für die Digitalisierung der Bildung müssen keine Millionen kosten. Sie sollten auf eine breite Akzeptanz bei allen Beteiligten treffen, sie sollten als Katalysatoren für komplexe Veränderungsprozesse wirken und sie sollten greifbare Ergebnisse zeitigen. Meine Favoriten sind:

  1. Ein konsequenter Breitband- und WLAN-Ausbau, vorzugshalber in kommunaler Hand.
  2. Eine E-Mail-Adresse für alle Lehrer*innen bei Einstellung (vgl. Studierende)
  3. Den Europäischen Computerführerschein für alle Beschäftigten, Schülerinnen, Auszubildenden und Studierenden in den nächsten 5 Jahren.
  4. One Laptop per Teacher
  5. One Laptop per Student
  6. Durchgängige Prinzipien der Offenheit bei Inhalten und Software: Open Science, Open Education, Open Access, Open Source
  7. One Domain of One’s Own (DoOO) für alle Auszubildenden und Studienanfänger(innen)
  8. Bildungstechnologie als öffentliche Aufgabe entwickeln.
  9. Starkes Weiterbildungssystem für Lehrende
  10. Vier K-Kompetenzen in der Bildung fördern: Kommunikation, Kreativität, kritisches Denken und Kollaboration.

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