Die Verwendung von Computern für die Abwicklung von Prüfungen findet immer mehr Verbreitung in den Hochschulen, in Veröffentlichungen und auf Tagungen ist das Thema präsent. Interessant ist das Thema aber auch deshalb, weil sich daran zeigen lässt, wie sich Digitalisierung in der Bildung entwickelt und wo sie an Grenzen des Systems stösst. 

Samstagmorgen 09:40 Uhr. Die Mitarbeiterin aus dem Zentrum für Sprachen und Schlüsselkompetenzen sagt noch einmal „Good Luck on your Test“ und die „Elektronische Eignungsprüfung“ im Fach Anglistik beginnt. Jetzt ist für die nächsten eineinhalb Stunden fast nur noch leises Mausklicken und Tastaturgeklapper zu hören. Im vierten Jahr führen wir jetzt an der Universität Potsam diese Form der Eignungsprüfung durch und mit jedem Jahr wurde der Prozess reibungsloser und einfacher. Heute werden zwei mal im Jahr Eignungsprüfungen mit jeweils fast 200 Teilnehmer*innen in zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen in zwei Poolräumen des Instituts für Informatik durch.

Es ist wichtig zu zeigen, dass etwas funktioniert – auch wenn es nicht optimal ist

Das eigentliche Testsystems hatten wir dabei eigentlich relativ schnell im Griff: Ein separates Standard-Moodle als, die Konfiguration, dass dieses System nur aus dem Uni-Netz erreichbar ist, plus manuelle Steuerung, dass die Tests vor und nach der Prüfung nicht erreichbar sind haben bisher noch keine Sicherheitslücken aufgetan. Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden die Grundkonfiguration und die ersten Durchgänge entwickelt und begleitet.

Bundesarchiv Bild 102-11344, Intelligenzprüfung schulentlassener Mädchen
Prüfung 1931 (Bundesarchiv)

Trotz stattgefundener Modernisierung ist aber beispielsweise die Vorbereitung der Poolräume mit hohem Aufwand verbunden. Einerseits müssen die Pools hard- und softwareseitig aktuell gehalten werden, andererseits müssen die Mitarbeiter*innen bereits sein, diese zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen – denn eigentlich handelt es sich hier ja nicht um Räume, die für Tests vorgesehen sind. Nervig ist daher immer noch, dass wir die Rechner vor jeder Prüfung manuell hochfahren, Betriebssystem und Browser in Gang setzen und die Startseite für die Prüfung eintippen müssen. In Zukunft soll auch dies automatisiet werden, was auch diesen Teil des Prozesses für alle vereinfachen wird. Nicht
so einfach ist es aber die Zusammenarbeit von verschiedenen Einrichtungen dauerhaft zu etablieren, wozu auch gehört, das gegenseitige Verständnis für die Sicht- und Arbeitsweisen der Expert*innen zu entwickeln, zu begreifen, was zu den Standardaufgaben der jeweilig anderen gehört und was nicht. Einerseits können einem Aussagen wie „das gehört aber doch zu seinem/ihrem Job“ begegnen. Andererseits sind historisch gewachsene Prozesse und Verfahrensweisen (etwa das „Anmelden zur Prüfug in letzter Minute“) die im Paper-Pencil-Verfahren kein Problem darstellen mit dem entsprechenden Prozess von „Nutzer*in anlegen“, „Passwort generieren“ und „Ausdrucken für die Teilnehmer*in“ einfach nicht so kurzfristig zu machen, wie das eintragen einer*s Teilnehmer*in in einer Liste. Auch der Vorgang, aus den Ergebnissen die Bescheinigungn zu erzeugen und per Mail zu versenden erwies sich als hartnäckig undigitalisierbar. Hier wurde zwar eine kleine smarte Software gebaut, die erwies sich aber als ziemlich pflegebedürftig und konnte erst nach einigem Hin und Her zu einem funktionierenden Workflow umgebaut werden. Knackpunkt hierbei war, dass die Lösung gegenüber kleinsten Fehleingaben intolerant war und die Beschäftigung mit Zeichensätzen, Feldformatierungen und Excelversionen nicht zu den Kernaufgaben der Verwaltungsmitarbeiter*innen gehört und das Tool ohne persönliche Betreuung unbrachbar war.

Technik und Konzepte sind nicht das Problem, das Problem ist es, die „Organisation Hochschule“ in Bewegung zu bringen

Anglistikprüfung Uni Potsdam 2017 (eigene)
Anglistikprüfung
 Uni Potsdam 2017 (eigene)

Inzwischen sind alle glücklich mit der Lösung und die Eignungsprüfung hat sich zum Pilotprojekt für das Thema E-Prüfungen an der Universität Potsdam gemausert. Es hat sich gezeigt, dass wir trotz anfänglich großer Bedenken in der Lage sind mit der vorhandenen Technik und durch de Einsatz von engagierten Menschen etwas auf die Beine zu stellen dass Modellcharakter haben kann. Auch rechtliche und administrative Rahmenbedingungen lassen sich so anpassen, das E-Prüfungen rechtssicher sind und sich beispielsweise die Einsichtnahme durch Prüflinge problemlos realisieren lässt. Wir haben sehr viel gelernt in den vergangenen vier Jahren und fühlen uns nun gut gewappnet das Thema E-Assessment in größerem Maßstab anzugehen. Hätte es hier nicht einen gewissen Mut zum Risiko gegeben, wären wir heute nicht an diesem Punkt. Wir bekommen auch jede Menge gut gemeinter Ratschläge von vielen Seiten, wie wir die Prozesse weiter automatisieren, optimieren, modernisieren und effektiver machen können. Aber das Problem ist nicht, dass wir nicht wissen, was wir machen müssten, sondern das wir an die Grenzen der Organisation Hochschule stossen.

Technische Innovation ohne organisationale Erneuerung ist sinnlos

Grassierende Überlastung, implizite und explizite Normen, endlose Prüfschleifen statt Entscheidungen, eine immer noch vielerorts vorherrschende this-is-not-my-job-Haltungen, Abgrenzungs- und Wagenburg-Mentalität hinsichtlich von Einfluss- und Kompetenzbereichen, offener oder verdeckter Unwillen zur Kooperation und eine spürbare Abneigung von Verantwortlichen sich diesen Herausforderungen zu stellen: Diese Phänomene machen es so schwierig in der Hochschule sinnstiftende Innovationen umzusetzen. Beim Thema E-Prüfungen kann man daher den Lackmustest machen. In den letzten Jahren haben sich Technologie, Praxis und wachsender Erfahrungsschatz der E-Prüfungen auf die Plateau der Produktivität im Hype-Cycle zubewegt: Man muss es einfach nur noch tun, dann lassen sich die positiven Effekte verstärken und weiter entwickeln, dann lässt sich durch technologische Entwicklung der Freiraum für didaktische Innovation schaffen. Es einfach zu tun bedeutet aber auch nicht, die Entwicklung hin zur Digitalisierung als alternativlosen Megatrend zu propagieren und mit diesem Killerargument die allfälligen Widerstände und Hemmnisse die sich meist aus dem menschlichen Faktor speisen (und sich in menschlichen Organisationsweisen vergegenständlichen) plattzubügeln. Wirklich alternativlos ist es hingegen, die organisationalen Hemmnisse zu thematisieren und sich nicht auf die Inseln des Gelingens (mit einem Leuchtturm in der Mitte…) zurückzuziehen.

Wir sind ja kein Unternehmen! - von Daniel Al-Kabbani auf http://constructive-amusement.weebly.com/
Wir sind ja kein Unternehmen! – von Daniel Al-Kabbani auf constructive-amusement.weebly.com

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